Projektbeschreibung
Eine Baulücke in Berlin-Pankow gleich hinter der Bezirksgrenze des Prenzlauer Bergs sollte mit einem Einfamilienhaus bebaut werden. Die Bauherren wünschten ausreichend Platz für eine kleine Familie mit vielen Büchern und häufigem Besuch, ein vollwertiges Arbeitszimmer und einen Garten mit Gemüse, Obstbäumen und Rasen. Das für diesen Zweck eher untypisch großzügige innerstädtische Grundstück befindet sich in der Nachbarschaft von überwiegend geschlossener viergeschossiger Mehrfamilienhausbebauung. Früher zu dem Gelände einer Gärtnerei gehörend, war das Grundstück seit Beginn des letzten Jahrhunderts bereits mit einem Einfamilienhaus bebaut, das inzwischen verfallen war und abgerissen werden musste.
brandt+simon setzten das neue Haus tief in das Grundstück an die Brandwand des nachbarlichen Hinterhauses. Dadurch blieb die Baulücke in der ersten Reihe erhalten und könnte zu einem späteren Zeitpunkt geschlossen werden. Um die Hinterhauszeile städtebaulich abzuschließen, wurde ein hohes dreigeschossiges Gebäude entwickelt, dessen Fassaden sich jeweils parallel zu den umgebenden Gebäuden verhalten. Dadurch entstand ein Gebäude, das sich aus einem nahezu quadratischen breiten südlichen und einem sich trapezförmig verjüngendem nördlichen Teil zusammensetzt. Den benachbarten Gebäuden mit ihren Berliner Dächern wurde die Kombination aus Steildach- und Flachdachfläche entlehnt.
Auf der geschlossenen Oberfläche des Hauses schwimmen Fenster scheinbar ohne Ordnung. Es gibt große Fenster die mit Abstand voneinander auf der Fassade platziert wurden und auf die dahinter liegenden Räume abgestimmt sind. Kräftige Rahmen aus Zinkblech verleihen den großen Augen des Hauses zusätzliches Gewicht. Hier und da sind kleine Fenster ergänzt, die einem zu erahnenden Raster folgen.
Die innere Struktur ermöglicht großzügige potentiell teilbare Räume nach Süden und kleine Räume nach Norden. Kein Raum gleicht dem anderen. Die Fenster sind oft Wandbreiten füllend und legen die Ausrichtung des jeweiligen Zimmers fest.
Der Blick aus Küche und Essbereich geht auf den Bereich der zukünftigen Terrasse, der rückwärtige Wohnbereich im Erdgeschoss blickt in niedriger Sitzhöhe auf eine kleinen ummauerten Teil des Gartens, der Blick aus dem Arbeitszimmer geht über die Baumwipfel und in den Himmel nach Norden, wo die letzten Flugzeuge zur Landung auf Tegel ansetzen. Schlafzimmer und Bad werden von der Morgensonne erhellt, vom Kinderzimmer aus kann man den Vorgarten übersehen. Nur der Bibliothek fehlt das große Fenster, denn hier ist die Introvertiertheit von der Nutzung vorgegeben. Die Wände werden als Stellfläche für Bücherregale gebraucht. Dafür taucht eine große Anzahl kleiner Fenster in tiefer Leibung den Raum in überwiegend indirektes Licht. So entstehen trotz der gegenüber den Nachbarhäusern exponierten Lage Räume und Raumteile großer Intimität.
brandt+simon entschieden bei der Konstruktionsart des Gebäudes für den Baustoff Holz. Dies ist zwar für den innerstädtischen Zusammenhang nicht typisch, zeichnet sich jedoch durch Eigenschaften aus, die den zeitgenössischen Anforderungen an Raumklima und Dämmeigenschaften auch im städtischen Umfeld gerecht werden. Die angestrebten Wärmedämmwerte werden hervorragend durch die mit 36 cm Zellulose gedämmte schlanke Holzständerwerkkonstruktionen erfüllt.
Das normale Schwind- und Quellverhalten einer Holzkonstruktion im Jahreszeitwechsel und die damit verbundenen Längenänderungen verlangen nach einer Bekleidung für die Fassade, die durch zahlreiche unverschlossene Fugen Bewegungen in den Bauteilen schadensfrei kompensieren kann und gleichzeitig einen langfristigen wartungsarmen Wetterschutz bietet. Die Fassade aus Bieberschwanzziegeln stellt eine massive und dauerhafte Lösung dar. Im Prinzip ist das Haus durch eine Dachkonstruktion eingehüllt. Durch die Wahl dieser an sich konventionellen Konstruktion war es auch möglich die Arbeiten durch örtliche Handwerker ausführen zu lassen.
Die kleinteilige und durchgängige Hülle umspielt die Ecken und verläuft in mehreren Grüntönen von dunkel nach hell bis in das Steildach hinein. Inspiriert durch Künstler der Op-Art wie Victor Vaserely wurde ein sich wiederholendes Muster entworfen. Die keramische Qualität des Fassadenmaterials ist gleichzeitig als Reminiszenz an die „Azulejos“, die im Heimatland des Bauherren verbreiteten Fliesenbilder an Hausfassaden gedacht. Je weiter man sich von der Fassade entfernt, entsteht der Eindruck einer Fläche von Bildpunkten. Wenn Fassade und umliegende Bäume und Sträucher ineinanderfließen offenbart sich eine weitere Lesart der Fassade als Blattwerk.
Der Warmwasserbedarf des Hauses wird großteils durch Solarthermie gedeckt, die auch heizungsunterstützend eingebunden ist. Zusätzlich wird das Haus bei Bedarf mit einer Gasbrennwerttherme beheizt. Die Räume werden vollständig über Fußbodenheizung erwärmt. Durch die großen Heizflächen ist eine sehr geringe Vorlauftemperatur und damit sparsame Heizung möglich.