Die frühe Moderne analysierte die Probleme der modernen Massengesellschaft und schuf aus diesem Nachdenken neue Formen des Wohnens und Arbeitens. Bereits parallel zu den Versuchen die Umwelt und Lebensbedingungen durch Architektur in Form von einfachen Geometrien und aufgelöstem Städtebau zu verbessern, trat die intellektuelle Auseinandersetzung in Bezug auf die Probleme dieser oft nivellierenden Problemlösungen zutage. Wladimir Tatlin konstruierte in den 20er Jahren schiefe Türme mit sichtbaren Konstruktionen, um die Schwierigkeiten einer Massengesellschaft und deren Aufbau zu zeigen. Diese Art der Architektur wurde Konstruktivismus genannt.
In den frühen 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde abermals Architektur als intellektuelles Experimentierfeld genutzt, um die Probleme und Unklarheiten der Massenarchitektur aufzuzeigen. Der neue Dekonstruktivismus in der Architektur ist daher als Reaktion auf die sich parallel entwickelnde, historisierende Post-Moderne und dem dichten Betonbrutalismus der Nachmoderne zu verstehen.
Gleichfalls wurde aus der intellektuell-analysierenden Forschung der De-Konstruktion des Würfels und des Blocks eine neue Ästhetik geboren. Architekten wie Bernhard Tschumi, Coop Himmelblau, Frank Gehry, Rem Koolhaas oder Daniel Libeskind waren Protagonisten dieses neuen Denkens. Denn Denken und der Diskurs über Architektur war neben der Erscheinung eine der wichtigen Elemente dieser Strömung. Architektur sollte nicht nur Behausung, Tektonik und Verschönerung zeigen, sondern vielmehr den Prozess des Raumschaffens darstellen. In dem Prozess des Architekturschaffens wurde insbesondere auf die Wahrnehmung und auf soziale Faktoren geachtet. Der Architekt Peter Eisenman unterhielt daher zur Klärung der sozialen und philosophischen Fragen einen regen Austausch mit dem Philosophen Jacques Derrida.
Architektur wurde so ähnlich behandelt wie der Psychoanalytiker mit seinem Patienten umgeht. Die Konstruktionen, die zur modernen Umwelt führten, wurden durch das Aufbrechen, also der Dekonstruktion des Existierenden, sichtbar und nachvollziehbar gemacht. Der Mensch als handelndes Individuum fand durch die Auseinandersetzung mit dem Spannungsfeld zwischen starrem Raum und sich bewegenden Menschen eine starke Rolle in der Architektur des Dekonstruktivismus. Dekonstruktivistische Architektur ist somit die Einlösung des modernen Versprechens der „Architektur als gefrorenen Bewegung“. In den Werken von Bernhard Tschumi, Rem Koolhaas oder Daniel Libeskind sind Bewegungsachsen und die Wahrnehmung des Raumes in der Bewegung von zentraler Rolle.

© Wladyslaw